Samstag, 6. August 2016

Interview mit Anja Marschall


Liebe Anja, ich kenne Dich ja schon länger durch den historischen Krimi „Fortunas Schatten“ und letztes Jahr hast Du mich mit „Lizzis letzter Tango“ extrem gut unterhalten. Dieses Jahr hast Du mit "Lizzi und die schweren Jungs" nochmal eine Schippe draufgelegt 😉. Aber würdest Du Dich unseren Lesern bitte trotzdem kurz vorstellen?
Gerne. Anja Marschall, Weinliebhaberin, geborene Hamburgerin, lebt jetzt auf dem Land, gleich hinterm Deich, fleißige Schreiberin seit 2012, davor Journalistin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, davor Pressereferentin in der Politik, davor Kioskverkäuferin an den Landungsbrücken in Hamburg, Apfelpflückerin in Israel, Zimmermädchen in London, davor Erzieherin.

Welches Buch war Dein Erstlingswerk?
Fortunas Schatten“, ein Kriminalroman der 1894 in Glückstadt an der Elbe spielt.

Wie viele Bücher hast Du bisher veröffentlicht?
Moment, da muss ich nachrechnen. Sechs Krimis und eine Krimiübersetzung.

In welchen Genres schreibst Du überwiegend?
Hihi, Krimi. Aber ich schreibe gerne lustige Krimis mit skurrilen Charakteren. Mein nächstes Buch – also jenes, an dem ich gerade schreibe – wird ein Psychothriller werden. Du siehst also, dass ich auch mal Neues versuche. In der Schublade habe ich Ideen für einen Auswandererroman, zwei Politthriller und zwei Jugendbücher. Ach ja, und seit letzter Woche auch die Idee für einen Irlandthriller.


Und natürlich gleich die Standardfragen:
Wie bist Du zum Schreiben gekommen?
Eine Wette. Ich saß vor Jahren mit Freunden beim Italiener. Wir diskutierten über historische Romane. Mir war schleierhaft, wie teilweise so mies recherchierte Bücher dermaßen erfolgreich sein konnten. Kitsch und Huschhusch-Recherche. Das ärgerte mich, denn ich lese gerne Historisches. Und weil ich mich so aufregte, meinte jemand: Dann mach´s doch besser. Und so entstand „Fortunas Schatten“.

Woher nimmst Du die Ideen für das Buch/die Bücher?
Die sind einfach da. Manchmal sogar zu viele davon. Ich hatte kürzlich eine Zeit – das hing mit meinem schweren Unfall zusammen – da wollte mir nichts einfallen. Nix. Ich geriet fast in Panik. Ideen ausbrüten ist wie frisch verlieben. Jedenfalls bei mir. Aber jetzt sprudeln die Ideen wieder. Ich werde nicht alle davon umsetzen können, weil ein Tag nur 24 Stunden hat. Und das ganz Gemeine an der Sache ist, wenn ich mich für eine Idee entscheiden muss. Boah, das ist hart.

Wie lange brauchst Du für ein Buch?
Das kommt darauf an, um welches Genre es sich handelt. Historisches bedeutet immer dass ich ein Jahr recherchieren muss. Schreiben geht dann in sechs Monaten, sofern ich täglich mindestens 4 bis 6 Stunden arbeiten kann. Wochenende ist frei. „Normale“ Krimis erfordern auch eine sechsmonatige Schreibzeit, aber eben eine kürzere Recherche. Pro Jahr schreibe ich 1 bis 2 Bücher.

Schreibst Du parallel an verschiedenen Büchern?
Sehr, sehr, sehr ungern. Manchmal lässt es sich nicht vermeiden. Da bin ich noch in einem Projekt und muss das Lektorat für ein anderes machen. Das ist wie Fremdgehen, glaube ich. Ich konzentriere mich lieber auf ein Manuskript.

Wer bekommt die Bücher zuerst zu lesen?
Ich habe eine kleine Gruppe von Testlesern. Dazu gehört eine Kollegin, die in meiner Nähe wohnt und die mit mir gemeinsam angefangen hat zu schreiben. Heike Denzau. Mein Mann ist dabei, weil er ein Pedant ist. Der findet Logikfehler! Klasse. Dann gibt es noch wechselnde Personen, die einen guten Schnitt meiner Leserschaft bilden. Hier erwarte ich keine professionellen Analysen des Textes, sondern eine generelle Einschätzung, ob das Buch gefallen hat oder nicht.

An welchem Projekt/Buch arbeitest Du aktuell?
Nach meinem schweren Unfall im letzten Jahr hatte ich die Idee, einen Spannungsroman oder Psychothriller zu schreiben. Es geht um eine Frau, die im Rollstuhl sitzt, seit sie unverschuldet in einen Verkehrsunfall geriet. Sie hat all das nicht wirklich überwunden. Da begegnet ihr die Unfallverursacherin eines Tages und das ganze Trauma bricht wieder hoch. Meine Heldin beschließt, sich endlich ihren Ängsten zu stellen und den Unfall aufzuarbeiten. Schade nur, dass damals alles anders war, als sie dachte. Und die Täterin keine Täterin ist, sondern selber ein Opfer.

Gibt es ein Genre, in dem Du gar nicht schreiben würdest?
Erotik. Ich bin einfach zu verklemmt. Grins. Splatter auch nicht. Ich kann kein Blut sehen. Und ich könnte nie nie niemals etwas schreiben, wenn Kindern Gewalt angetan würde. Da frage ich mich sehr oft, warum Leser so etwas "unterhaltend" finden.
  
Wie gehst Du mit Kritik um? Ärgerst Du Dich über schlechte Bewertungen?
Glücklicherweise ist das bisher noch nicht vorgekommen. Einmal gab es eine 2, aber der Text ließ darauf schließen, dass derjenige das Buch überhaupt nicht gelesen hatte.  Zählt also nicht. Ansonsten komme ich mit Kritik sehr gut zurecht, wenn sie sachlich ist. Sollte sie nicht sachlich sein, muss man immer bedenken, dass derjenige, der kritisiert, eine ganz persönliche Meinung äußert. Die Meinung des einen muss nicht die des anderen sein. Ansonsten haben alle meine Bücher fast immer vierer oder fünfer Rezis bekommen. Ich kann mich also nicht beklagen. Ich weiß aber von Kollegen, die nach einer miesen Kritik wochenlang am Boden zerstört sind. Vielleicht wird mich so etwas auch irgendwann einmal erwischen. Ich hoffe aber, dass es nicht passieren wird. Was mich jedoch seit einiger Zeit fasziniert ist, dass Rezinoten/Kritiken und Verkaufszahlen keinen Bezug zueinander zu haben scheinen. Erklären kann ich es nicht. 

Was machst Du, wenn Du nicht gerade ein Buch schreibst? (Beruf und/oder Hobbies?)
Über das Schreiben nachdenken. Ist wahr. Ich kann nicht anders, als über Geschichten nachdenken und über Plots. Ich spiele mehrere Instrumente und hatte bis vor meinem Unfall auch eine Band. Aber davon ist nix mehr übrig. Vielleicht mache ich in Richtung Musik mal irgendwann wieder etwas. Ich treffe mich gerne mit Freunden. Das macht mir Spaß.

Hast Du eine Sammelleidenschaft? Wenn ja, welche?
Schönes und Altes. Mein Haus ist schon voll. Alte Lampen, altes Schreibutensilien, Instrumente.

Treibst du Sport?
Ähm, nö.

Hast Du eigene Tiere? Wenn ja, welche?
Ich hätte gerne einen Hund. Mischling, kniehoch. Mein Mann sagt nein. Ich bearbeite ihn noch. 😉

Was würdest Du machen, wenn Du 1 Mio € auf dem Konto hättest? Würdest Du Dein Leben ändern?
Nein!!! Ich würde vielleicht mal eine Kreuzfahrt machen, weil ich die Idee für einen Kreuzfahrtkrimi habe. Ansonsten würde ich einen langen Urlaub in Irland machen, weil ich da früher häufig war und die Idee für einen Irlandthriller im Kopf habe. 😊 Ich könnte mir auch vorstellen, ein kleines Schloss zu kaufen und dort eine Alten-WG einzurichten. Aber, ich glaube, da reicht 1 Million nicht.

Wie würden Dich Deine Freunde beschreiben?
Optimistisch, stark, anstrengend manchmal, loyal, vergesslich.

Wie würden Dich Deine Feinde beschreiben?
Habe ich welche? 😊

Trinkst Du lieber Kaffee oder Tee?
Tas´ Kaff´, wie wir hier oben sagen. Am Wochenende bekomme ich von meinem Mann jeden Morgen einen Kaffee vor dem Aufstehen ans Bett geliefert. „Mamamischung“ nennen wir ihn: Doppelter Espresso und ein Cappuccino obendruff.

Hast Du einen Lieblingsort und verrätst Du ihn uns auch?
Bäume faszinieren mich. Jeder schattige Platz unter einem Baum ist meiner. Ich brauche Ruhe, damit ich meine vielen Gedanken im Kopf sortieren kann.


Da wir ein Buchblog sind, interessieren uns natürlich auch Deine Lesegewohnheiten!
Erinnerst Du Dich an Dein erstes selbst gelesenes Buch? Wenn ja, welches Buch war es?
Ich weiß den Titel nicht mehr. So etwa: „Verschollen im Pazifik“. Es war das erste Buch, das mich faszinierte. Wie alt ich war? So etwa 9, schätze ich. Zu dem Zeitpunkt hieß es: Das Kind ist Legasthenikerin. Lesen und Schreiben wird sie niemals richtig können. Tja, so können sich Erwachsene irren.

Welches Buch hast Du als letztes gelesen und welches Buch liest Du aktuell?
Ich lese zu wenig! Ich habe verlernt, unbedarft zu lesen. Jedes Buch, das ich aufschlage, prüfe ich auf Handwerklichkeiten hin. Schrecklich. Die letzten Bücher waren: Frühling der Barbaren (sehr gut, nur zu kurz), Janusmond (gute Idee, mit Luft nach oben), Mit aller Macht (klasse), Zero (sprachlich nicht herausragend, aber inhaltlich wow!), Madame Picasso (langweilig, aber gute Sprache), Lavendelzimmer (sehr schön).

Welches Buch hat Dich bisher am meisten beeindruckt oder beeinflusst und warum?
Das wechselt. Meistens sind es Fachbücher, die mich beeindrucken, weil sie mir Dinge zeigen, die ich vorher nicht wusste. Derzeit inspiriert mich eine Magazin sehr: Das Philosophie Magazin. Hier wird um die Ecke gedacht, aber nicht theoretisch-wissenschaftlich sondern handfest. Derzeit habe ich eine Sonderausgabe zum Koran neben meinem Bett liegen. Beeindruckend.

Verrätst Du uns Dein Lebensmotto?
Es gibt nichts Gutes, es sei denn man tut es … selbst!


Und zum Abschluß:
Du gehst ja sehr offen mit Deinem Unfall um. Wir hoffen, dass es Dir inzwischen wieder etwas besser geht. Ist eigentlich eine Erfahrung davon mit in die neue Lizzi eingeflossen?
Nein, „Lizzi und die schweren Jungs“ waren schon fast fertig. Ich habe am Krankenbett nur noch die Feinheiten schreiben müssen. Nein, der Unfall wird in ein anderes Buch kommen (siehe oben). Arbeitstitel „Schrei allein“. Möchtet ihr testlesen?

Welche Frage wolltest Du schon immer mal gestellt bekommen?
„Welche Frage wolltest Du schon immer mal gestellt bekommen?“

Gibt es eine Figur aus Deinen Büchern, mit der Du Dich liebend gerne mal auf einen Kaffee zusammensetzen würdest?
Mit jeder. Sogar mit den Bösewichten. Sexy finde ich ja meinen schweigsamen Kapitän Hauke Sötje, dem Helfen von „Fortunas Schatten“, der im September mit „Tod am Nord-Ostsee-Kanal“ wieder zu den Leserinnen kommt. Lizzi hätte ich gerne mal neben mir, wenn ich über die Reeperbahn gehe. Da würden garantiert lustige Dinge passieren. Mit Luna, aus „London Calling“ und „Das Erbe von TanstonHall“, meinen beiden Brit-Crimes, würde ich gerne mal auf eine vornehme und steife Oberschichtparty gehen. Die würde den Laden richtig gut aufmischen.

Hier kannst Du Dich frei entfalten ;-)
Und jetzt muss ich wieder zurück ans Manuskript für „Schrei allein“, sonst schaffe ich es nicht, bis zur Buchmesse eine ordentliche Leseprobe vorzulegen. Ich will meine Agentin nicht unnötig quälen. 🙂

Vielen Dank für das Interview. Schaut Euch doch auch mal auf Anjas Website oder Facebook um und Lizzi hat natürlich auch ihre eigene Seite 😉.

Und falls ich Euch jetzt neugierig gemacht habe, dürft Ihr gern in meinen Rezensionen zu Lizzis letzter Tango und Lizzi und die schweren Jungs stöbern.

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